Liebe auf den ersten Tritt, die nicht nur absolut ungetrübt bleibt auf den vielen, vielen Kilometern, die ich mit ihm abspulen darf, sondern sich zu tiefer Überzeugung festigt: Er ist einfach der perfekte Begleiter, wenn ich flott unterwegs sein will, verhält sich völlig unkompliziert und regelrecht praktisch, ist ausnehmend hübsch und dabei hart im Nehmen.

Gut, dass er kein Frosch ist und auf meine Schmuserei auch nicht märchenhaft reagiert – denn genau so wie er ist, bleibt er unangefochten mein Rennrad-Prinz. Pierre ist nicht nur eines der günstigsten Alu-Carbon-Rennräder, sondern zugleich auch Spitzenreiter unter den leichtesten.
http://www.fujibikes.com/europe/bikes/road/competition/roubaix

Ich darf das Modell 2017 im Langzeit-Test und Jahreszeiten-Wechsel fahren, es heißt mit bürgerlichem Markennamen Fuji Roubaix – in meiner Welt aber, wie bereits erwähnt, hört mein bevorzugter Sportsfreund auf „Pierre“.

„…und sowieso wird jedes Rad, das ich fahre oder testen darf, auch getauft, weil es mir ja heilig ist.“ Ein lieber Bekannter und als Nicht-Radfahrer immer ein wenig genervt über meine umständlichen Ausführungen zu Bike-Legenden und „Ode an das Rad“, grinst mich breit an: „Jaaaa, das heilige Rad, auch bekannt als der heilige Graaa-d-l!“ höre ich ihn lachen, missinterpretiere dies flugs als Zustimmung zur Mitreise in meinen Gedankendschungel und sprinte los: „Also wenn ich mir vorstelle, dass Pierre zum Beispiel…“ - „Pierre?“ - „Na, das aktuelle Rennrad, das Fuji Roubaix, das schwarze Rennrad heißt so… das, das ich jetzt fahre, fahren darf… das kennst du, du kennst doch Pierre von den Fotos? Also das Rad habe ich nach Bourdieu getauft, der ist zwar kein Sportler aber übt Soziologie wie einen Kampfsport aus, sagte er in einem Interview… also immerhin ein Franzose und von denen gibt’s nicht so viele ohne Korkverschluss, dass sie mir nachhaltig in Erinnerung bleiben… obwohl… ich bin ja heimlicher Bernard Hinault-Fan! Aber etwas Bernard nennen, auf das ich mich regelmäßig und liebend gerne drauf setze…? Hinault ist wieder viel zu unpersönlich für ein Rad, das zugleich mein bester Freund ist, mit dem ich quasi eine innige Beziehung habe!“
Ich schlinge die Arme um meinen Körper, deute die dramatische Geste einer Selbstumarmung an und ignoriere seine unpassende Bemerkung, dass ich genau so eine Hab-mich-lieb-Weste verpasst bekommen werde, wenn ich nicht damit aufhöre, Dinge zu beseelen. „Erzähl mir was Neues!“ erwidere ich unbeeindruckt und spinne weiter an meinem Gedankennetz:
„Eigentlich wäre ja Roger noch viel passender!“ fällt mir dazu ein, „aber das ist halt so ein richtig schircher Name! Apropos Roger: Wer hat eigentlich heuer Paris-Roubaix gewonnen? Ja, sicher ist das ein Radrennen oder meinst, ich interessiere mich für Weitwanderwettgehen!? Peter Sagan hat den Pflasterstein bekommen, oder?“ Ich übergehe sein fragendes „Einen Hinkelstein?“ und setze meinen Monolog fort: „Na klar, der Sagan hat gewonnen… also ist Pierre doch auch irgendwie passend, ein Slowake in Paris, hihi, dort wird der Peter zum Pierre… Die heutigen Fahrer sind solche Krischpindl, dass ich mir die gar ned als Namenspatron vorstellen will, aber der Sagan ist wenigstens smart… a smart ass, ja er wirkt ein bissl verschlagen, halt nicht grad ein Held in meiner Wahrnehmung, so wie es Alejandro Valverde ist… Nein, das ist ausnahmsweise kein Italiener – ein Spanier heldenhaft in Innsbruck, bei der letzten Rad-WM, ja dieser Valverde… der hat jetzt mein T-Shirt, das Regenbogen-Trikot! Wieso schwul? Nein, der ist nicht schwul, der ist amtierender Weltmeister! Wie… warum ich Champion…? Naaahhh, ich trete bei keinem Bewerb an… das ist eine alte… eine Titelverteidigung…besondere Verdienste… für sympathische… nichts weiter als Stellenwert sympathisch!“
Ich drehe mich um, höre meinen Gesprächspartner sagen, dass er nicht in meinem Kopf sein will und er sich fragt, ob ich denn zwischendurch auch Atem hole… und dann lacht er mich kopfschüttelnd aus – mich, die einfach nur sympathische Lachnummer, die jetzt heimlich an den Tränen ihrer Erinnerung würgt.

Ob ausgerechnet ich bei einem Rennrad von ausgewogenem Kosten-Nutzen-Faktor reden sollte, weiß ich nicht, da ich für gewöhnlich nicht unbedingt via ratio meine Entscheidungen treffe (so werde ich aus der Tiefe meines Herzens heraus niemals ein blaues Rad fahren… wurscht welche Marke, auch nicht geschenkt, aber das ist eine andere Geschichte). Aber dieses ganz spezielle Fuji-Rennrad, dieses Fuji-Roubaix würde ich vom Fleck weg kaufen, weil es sich sowohl als Trainingsgerät als auch im Stadtverkehr absolut verlässlich bewährt: Robust und wendig lässt mich Pierre in all den Monaten nicht ein Mal im Stich (selbst wenn wir zwischendurch schon auch hin und wieder über einen Randstein… also er ist auch ein talentiertes Springinkerl!), fliegengewichtig (er) und flott (ich) legen wir hunderte Kilometer pannenfrei entlang der Donau zurück, sind kreuz und quer im Tullnerfeld und Dunkelsteiner Wald unterwegs, sogar das Traisental mute ich uns zu. Kompakt und solide, loyal und unzerstörbar entpuppt sich dieses Rennrad als erfreulich unprätentiös, als wahrer Sportkamerad, der natürlich auch in meiner Single-Wohnung übernachtet. Pierre ist ein idealer Begleiter selbst bei Abendeinladungen – passend zum kleinen Schwarzen! – nachdem mir zugesichert wurde, dass er eh mit hinein darf.

Was es mit dem „hinein“ auf sich hat, weiß jeder Radmensch, der in Wien schon einmal eine Diebstahlsmeldung aufgegeben hat – sogar aus den Wohnhaus-Kellern werden immer wieder Räder gestohlen (angeblich gibt es im nördlichen Balkangebiet spezielle Umschlagplätze für „ViennaBikes“). Ohne fettem Radschloss geht’s gar nicht, obwohl das noch lange keine Garantie für Raub-Prävention ist; und ein Rennrad – wurscht ob in meinem Besitz oder eben geliehen – hänge ich schon gar nicht an, nämlich nirgends. Pierre bleibt in Sichtweite, meist sogar Griffweite und daheim eben in der guten Stube.