Meine Konzeptüberlegungen (©Originalversion, 2013) zur Nachnutzung eines Fabriksgelände-Teils im Burgenland wurden bisher nicht realisiert: ZAFF_Zentrum Arbeitskultur-& FrauenForschung. Ein Nicht!Museum als Ort von Alltag-Kultur, als Schnittstelle interdisziplinärer WissensArbeit, als kulturwissenschaftliches, ökosoziales und gesellschaftspolitisches ForschungsLabor.
Als Museum wird gemeinhin ein Ausstellungsort assoziiert, der sich der Bewahrung und Archivierung besonderer Objekte, die ebenso besonderen Menschen gehörten, verschrieben hat: Adel, Klerus, Bürgertum sind die (ehemaligen) Besitzer jener Dinge, die scheinbar natürlichen Träger von „Kultur“.
Durch diese selektive Festschreibung von Kultur-Geschichte wird die Illusion einer natürlichen Ordnung von "oben" und "unten" aufrecht erhalten, indem die „Oberen“ der Gesellschaft herausgehoben und sichtbar gemacht werden, ergo als die Geschichte-MacherInnen erinnert werden.
Die Leistungen der mehrheitlich „dienenden Unteren“ hingegen, ohne die die „Oberen“ ihren Machterhalt weder erreichen noch ausbauen hätten können, diese Dokumentation von Alltag-Kultur gilt im engen Kulturverständnis als wenig präsentabel – das arbeitende Volk schafft es nach wie vor kaum, in die Vitrinen der großen Museumsausstellungen (die freilich von den „Unteren“ und deren erwirtschaftetem Steuergeld subventioniert werden)…
Warum Arbeitskultur- und FrauenForschung?
Historische Schätze aus Kirchen- und Adelsbesitz, sowie mancher Bürger- und Handwerkszunft sind über das (Burgen-)Land in Heimat- und Schlossmuseen verteilt: Die museale Praxis präsentiert bäuerliche Objekt-Symbole in einer Wir-Beschwörungstradition, um die Idee von Heimat zu perpetuieren; höfisches, später bürgerliches Leben hingegen wird als männlich dominierte „Herrschaft-Gesellschaft“ und in jedem Fall als Metapher für „Kultur leben – das kultivierte Leben“ ausgestellt.
Die „andere“ Gesellschaft aber, die „Unteren“ sind ebenbürtiger Teil einer gesellschaftshistorischen Erzählung von Sieg und Niederlage, Aufbau und Wohlstand der Nation(en1). Die Biographien dieser Menschen sind nicht nieder geschrieben, ihre beträchtlichen Verdienste nicht als Schrift- oder Bild-Zeugnis festgehalten – darum können diese „unteren“ Leistungen ignoriert werden, solange sie unsichtbar und im überwiegenden Teil museologisch-historischer Kontexte auch ohne Wertzuschreibung bleiben: Die unzähligen Arbeiterinnen und Arbeiter etwa, deren gewaltige Fabrik-Kraft den Aufstieg des Landes zur wirtschaftlichen Konstante erst ermöglichte, finden kaum Erinnerungsraum in konservierter Geschichte. Die historische Tradition männlicher Geschichtsschreibung von der „Heimat großer Söhne“ bildet die Oben-Unten-Gesellschaft als gültiges Modell ab, als logische „natürliche Ordnung“ (wie eingangs erwähnt), die als imaginäres Platzanweisungssystem verinnerlicht ist.
Vor allem was die „Womenschheit2“ betrifft: Dem größten Teil der Bevölkerung, nämlich den Frauen, wird eine Dokumentation ihrer Arbeitsleistungen im speziellen verweigert, obwohl sie als Arbeiterinnen einerseits um geringeren Lohn in den Manufakturen genauso wie ihre männlichen Kollegen in Zwölf-Stunden-(Nacht)Schichten schufteten, andererseits GratisFamiliendienst im Rahmen der Reproduktionsarbeit leiste(te)n. Geschichtsschreibung ist androzentriert, eine Darstellung aus weiblicher Sicht existiert nicht – als Appendix in historischer und somit überlieferter Wahrnehmung bleibt „frau“ Teil einer binären Gesellschaftsungleichung, in der sie in Form einer Substitut-Umschreibung als „die Frau von“ oder „die Tochter von“ Erwähnung findet. Übrigens ein klassenübergreifendes Phänomen. Auf dem Heldenplatz der Geschichte ist also endlich Raum zu schaffen für die Heldinnen.
Warum es einen Dokumentationsort braucht?
Es existiert zwar ein Fabrikschlot auf dem Gelände der ehemaligen Zuckerfabrik, aber es wird das ZAFF nicht als Elfenbeinturm-Gebilde geben, um die sprichwörtliche Beschreibung im Umgang mit Forschungsergebnissen zu bemühen: WissensArbeit produziert enorme Ressourcen, die zu einem Gutteil ungenutzt gelagert bleiben, zum Schaden der Volkswirtschaft, zum ökonomischen Nachteil der Wissensgesellschaft ebenso, wie als vergebene Chance positiv auf das allgemeine Bildungsniveau in Österreich einzuwirken (als Indiz für mangelndes gesellschaftshistorisches wie sozioökonomisches Verständnis darf der politische „Drift“ in den vergangenen zwanzig Jahren, und als Resultate dazu die jüngsten Wahlergebnisse erkannt werden). Die Anforderungen an einen Transformationsprozess in dem eine wissenschaftssprachlich „subterrane Knollenfrucht“ in einen allgemein verständlichen „Erdapfel“ umgewandelt werden muss, sind hoch und dürfen nicht unterschätzt werden. Trotzdem gilt die Forderung, dass ForschungsErkenntnis auch (!) schwellenfrei und öffentlich zugängig zu machen ist als ein Gebot der Stunde.
Insbesondere via Alltag-Kultur als Spiegel unserer Gesellschaft lassen sich sozioökonomische, kulturwissenschaftliche und rechtsphilosophische Inhalte als Basiswissen vermitteln, das sozusagen „übersetzt“ wird: Die Geschichte der ZuckerarbeiterInnen in Siegendorf_Cindrof dient als Schablone, auf der gesellschaftspolitisch relevante Themen verhandelt, präsentiert und diskutiert werden (siehe dazu Dauerausstellung).
Schnittstelle zum „außen“ die den Transformationsprozess von wissenschaftlichen Forschungen zu Inhalten von Allgemeinbildung produziert, ist die aktuelle Antwort in der Diskussion um Weiter- und Erwachsenen-Bildung.
Gerade ein Projekt "Menschen, die Geschichte schreiben" mit einem besonderen Focus auf ArbeiterInnen-Leben, sowie auf die stolze Einzigartigkeit der ungarisch-kroatisch-österreichische Melange der Region als Fundament des neuen Österreich, heben sich vom üblichen Herrschaft-Dirndl-Einheitsbrei des landläufigen 08/15-Heimat- oder Schlossmuseums ab - die ZAFF-Inhalte besetzen eine öffentlichkeitswirksame Nische, bauen einen historischen Brückenschlag zu gesellschaftsrelevanten Themen, die es neu zu verhandeln gibt: Stichwort "Arbeit - Zukunft der Arbeit", "Anders sein - von fremder Nähe"…
Die Realisierung muss in einem Gesamtkonzept zur Ort-Belebung eingebettet sein (Natur- und Kulturerlebnis, in weiterer Folge Genuss und "slow travel" im Sinne von Sommerfrische-Idee und Ausflugsziel, sowie mehrsprachige Tagungen und Schwerpunkt-Veranstaltungen etc.).