Noch tags zuvor liefere ich mir einen hitzigen Pingpong-Diskurs zum Thema Hardcore-Macho-Gehabe mit einem lieben Freund. Ihm ist ein solches nicht nur nicht fremd, sondern von seinem ureigenen Wesen gleich einmal um Lichtjahre entfernt. Deswegen reagiert er wie ein Außerirdischer mit blankem Unverständnis, wenn ich aus dem Nähkästchen plaudere und Motten-Geschichten, kürzlich Erlebtes aus "it's a man's world" schildere. Ungläubig meist, entsetzt eigentlich immer ist er…

…wenn ich ihn mit einem Argumente-Wall aus Beispielen angewandten Sexismus' in die Enge treibe. Unser jüngster Infight findet rund um das Thema Regierungsbildung im Setting Integration statt. Im Verbal-Duell skizziere ich zwei Fronten, die nur scheinbar einander gegenüberstehen, im innersten Kern aber miteinander korrelieren: Es sind dies „neue“ Österreicher (dazu fallen die Stichworte Gastarbeiter, Balkan und Türkei sowie Asyl, Flüchtlinge, Islam…) versus „Alt-Österreicher“, sprich Indigene aus der Neigungsgruppe „katholische Taliban“ (unweigerlich fallen Wortspenden wie Tradition, unser Glaube und unser Rechtssystem, christliche Werte, Heimat…).
Während er rund um „unsere Kultur“ subsumiert und wild tänzelnd durch die Luft ficht, rasch an Boden verliert, indem er im vermeintlich Trennenden zu „den Anderen“ herumstochert, pariere ich mit dem schneidigen Argument „idente Erziehungsmuster“ und setze an zum Hieb: Richtig, die allgemein gültige Schablone der Gehirnwäsche durch monotheistische Religionen trifft.
Ich locke ihn mit „patriarchale Glaubensmuster als verbindende Klammer über alle Kultur hinweg“ aus der Deckung und hole aus zum Frontalangriff: „Auf internationaler Ebene spielt sich doch das Gleiche ab: Erzkonservative saugen liberale Tendenzen auf, absorbieren jegliche Formen von Emanzipation und verweigern sukzessiv Erneuerung der Gesellschaft…das geht von Palermo bis St.Pölten, von Budapest bis Budweis, von Krakau bis Krems… hinter traditionellen Fassaden spielen die Dramen, wo frustrierte Menschen in Verbitterung und Resignation Sparbuch und Haus im goldenen Käfig umklammern. Söhne werden in Geiselhaft als Gattenersatz gehalten, den Töchtern parasitäres Versorgungsverhalten und die Technik emotionaler Erpressung vorgelebt. Bis dass der Tod euch scheidet – das ist doch keine muslimische Spezialität?!“

friend mit?

Ich ramme mein Schwert in den Boden: „Unabhängige Weiber und deren Selbstbestimmung fürchtet man(n) im christlichen Abendland doch wie der Teufel das Weihwasser, ‚unsere‘ Bauernbund-Männchen agieren genauso wie Erdogan-Jünger oder die Trump-el, da ist kein Unterschied in deren ängstlicher Grundhaltung oder hilflosem Macho-Gehabe. Lediglich die Schimpfwörter höre ich in verschiedenen Sprachen…“.
Er lässt die Hände sinken, steckt seine rhetorische Angriffslust weg und seufzt erschöpft: „Mit dir diskutieren…! Ich kenne keine andere, die mich so fordert!“ Gerne geschehen, das ist halt meine Version von „friends mit benefit“ grinse ich keck. Wer mich wirklich kennt, weiß: An der glatt-lauen Oberfläche bleibe ich nur im Bekanntenkreis. Menschen, die meiner Freundschaft sicher sind, verdienen Auseinandersetzung mit Tiefgang und kein Teflon-Blabla.

habt acht!

Und wie's oft so ist, bin ich nur wenige Stunden später auch gleich die Auslöserin unfreiwilliger Feldforschung zum Thema „was Hänschen lernt, wird ein richtiger Macho-Hauns“. Diesmal vom Rennrad aus.
An meiner Work-Bike-Balance arbeitend, leiste ich mir an diesem Mittwoch noch gschwind vor Schreibtisch-sitzen einen Rad-Quickie nach Greifenstein. Innerhalb von zwei Stunden muss ich nicht nur hin und retour sein, sondern auch geduscht und wieder Business-zivilisiert einsatzbereit. Ergo starte ich ebenso diritissima wie motiviert zur Stadtausfahrt, nur über‘s Pflaster meiner Büro-Adresse rolle ich gemütlich, gleich darauf schalte ich auf „anzahn!-Modus“.
Die ausladenden Fahrbahnen der Landesgerichtsstraße nutzen Automenschen in ihrem Verständnis von freier Fahrt. Sie rauschen in City-gefährlich hoher Geschwindigkeit auf doppelten Spuren dahin, während die Radstreifen entlang dieser Strecke buchstäblich als Schleichwege dimensioniert sind, wo es kaum Chancen für Überholmanöver gibt. Von weitem schon sehe ich vor mir frau auf ausladendem Hollandrad mit Blumen-beranktem Lenker-Korb, dem Pendant zum Autofahrer mit Hut bei der Sonntagsausfahrt. Ihr selbstvergessenes Dahintreten lässt auf eine Geschwindigkeit schließen, die nicht kompatibel ist mit meinem Trainingsmodus. Kurzerhand schalte ich rauf (für Schaltung-Puristen runter) und fädle mich nicht auf den Radweg, sondern bleibe – StVO-konform „mit Rennrad auf Trainingsfahrt“ – auf der ganz rechten Fahrbahn.

Gacki im Khaki

Alle Ampeln zeigen Grün, der Auto-Lenker hinter mir sieht offenbar nur Rot: Begleitet von Staccato-Hupkonzert fährt er dicht an mich heran, klebt mir am Hinterrad… ich trete am Rathausareal vorbei, wage einen kurzen Schulterblick, lese die ersten Buchstaben des Kennzeichens: BH 45… eine Lücke auf der Parallel-Spur tut sich auf, der VW-Bus zieht auf gleiche Höhe und nun seitlich ganz knapp an mich heran, der Lenker drückt nun erst recht auf die Hupe, sein Beifahrer lässt den Sicherheitsgurt schnalzen, beugt den Oberkörper weit aus dem Seitenfenster und brüllt mich an:
„Fohr am Radlstreifen, du Trampel…“ übt er sich in mansplaining für Dummies, also Mann erklärt Frau die Welt, nicht weil er so viel gescheiter wäre, sondern weil… eben Mann ist. Die angewandte Dummheit in dieser Zurschaustellung von aufgeblasenem Y-Chromosomen-Ego ist nie logisch, macht mich aber immer wieder einfach nur baff. Ich erinnere mich daran in einer Buch-Rezension mansplaining über mansplaining gelesen zu haben…
[Peter Waldeck: Triumph des Scheiterns (2019, Milena Verlag) - Rezension aus FALTER 46/2019 (Dominika Meindl), Der lustige Niedergang des alten, weißen Deppen: „Als Wintertod ihm „Mansplaining“ vorstellt, klärt er sie auf, „dass es korrekterweise Manxplaining heißen müsse, da in explaining kein S vorkommt“…]

In befremdlichen Ausnahmefällen reagiere ich ja vor allem belustigt, insbesondere wenn das Verhalten aufgeblasener Protagonisten explizit deppert ist.
Apropos deppert – diese Nachwuchshoffnungen im Stile von Gaballier und Baumgartner verwandeln die aktuelle Macho-Begegnung in so eine Schmunzel-Episode. Inwiefern der Überschwang an Aggression kurzes Nachdenken verunmöglicht, zeigt diese Aktion. Mir leuchtet schon ein, dass in „Uniform von Berufs wegen“ der stete Tropfen des Befehlston-Staccatos ganze Gehirnregionen aushöhlen kann, sodass verkürzte Kommunikation automatisch als Befehlsausführung-Beschleunigung verstanden wird. Aber mitten in der Wiener Innenstadt mit einem Bundesheer-Fahrzeug knapp an eine Rennrad-Fahrerin heranzufahren – Gefährdung! – und im Imperativ brüllend diese zum sofortigen Stuhlgang-Gang aufzufordern, ist einfach kein „G‘hört sich“ für aufrechte Landesverteidiger.

Korporal h.c.

Als ich im Jänner anno 1987 zwecks journalistischer Recherche sechs Wochen lang als erste Frau beim Österreichischen Bundesheer diente, durfte ich die eine und andere Begegnung mit hochgradig (also höheren Dienstgradigen) Verhaltenskreativen erleben (Ausnahmen bestätigen die Regel!). Sehr rasch erkannte ich es als eine Art Faustregel, dass je weniger Gold auf den Schultern und je eher ein Blickkontakt auf Augenhöhe (also rein körperlich…) möglich war, desto respektvoller und entspannter gestaltete sich auch der Umgang mit mir als Kameradin, Kollegin, Frau. Egal wo immer ich bemüht war, gute Leistungen zu erbringen – beim Gewöhnungsmarsch rund um Mautern, in der Eiseskälte von Allentsteig, im Rahmen der Übung „Wintersturm“ oder vielen Schieß-Übungen – sahen die unmittelbar Beteiligten in mir schlicht die Kameradin, die immer ihren Ehrgeiz "besser sein" auslebte, die zwar nicht abzuhängen war, aber auf die schlicht Verlass war.

Die Erinnerung an „das hätte es mit meinen Kameraden nicht gegeben“ stimmt mich milde im heutigen Wien. Ich sehe die jungen Gesichter der angestauten Testosteron-Männlein, registriere stumpfe Blicke und Feindseligkeit im Wageninneren. Ob es den handelnden Personen bewusst ist, dass etwaige Konsequenzen aus versuchter Körperverletzung oder angewandter Beleidigungsabsicht in diesem Fall rechtlich leicht zu verfolgen sind, zumal aus einem Dienstfahrzeug heraus, ergo im Dienst, sprich in der Dienstzeit…?
Beim nächsten Ampel-Stopp fahre ich heran und erzähle in aller Ruhe (explizit freundlich, gerade eben nicht im Schulmeister-Ton!) beim Fahrerfenster hinein, was in der StVO hinsichtlich Rennrad-Nutzung und Trainingsausfahrt festgeschrieben steht.
Mir ist durchaus klar, dass auch der Macho-Nachwuchs und Anwender von Mans/xplaining 2.0 kein Anhänger von lebenslangem Lernen ist, daher auch wenig Interesse für Neues zeigt. Schon gar nicht, wenn selbst mit Gebärden „Hulk wütend“ und wildem Hupen keinerlei Einschüchterung zu erreichen ist, man stattdessen ignoriert und süffisant ausgelächelt wird. Interessant ist freilich der jähe Impuls zur Zusammenrottung, wenn ein – quod erat demonstrandum – evolutionär höher stehendes Weibchen als Bedrohung empfunden wird. Während die Stammhirne in den sich aufblasenden Männchen rattern, bekundet der Fahrzeug-Lenker lauthals seinen Wunsch „Trainier auf der Donauinsel, du Depperte!“
Mit erhobenen Augenbrauen frage ich, ob er denn der Meinung sei, dass ich in einer Flasche wohne und per Zwinkern reise oder etwa des Beamens mächtig wäre. Er starrt mit offenem Mund, ich nutze die Pause für eine freundliche Feststellung, dass doch eine dreispurige Straße sowohl mir samt Rad als auch ihm und Auto ausreichend Platz bietet, solange er nur sein Ego ein wenig an die Kandare nimmt. Fahrer und Team erstarren kurz, ich frage hilfsbereit, was ich erklären soll, „ego“ oder „Kandare“…
Die Männlein reagieren unwirsch mit lautem Protest. Was in Folge an Fäkalsprache über mich ausgepatzt wird, blende ich hier weg. Seelenruhig schlängle ich mich vorbei, stelle mich mitsamt Rad ein wenig quer vor das Auto, ziehe mein Handy aus der Trikottasche und fotografiere Auto samt Nummernschild. Große Augen starren nun hinter der Windschutzscheibe aus dem dunkelblauen Gefährt – es scheint, als wäre eben die Offenbarung im Wageninneren erfolgt, dass man bei der heutigen Täuschen- & Tarnen-Übung wohl durchgefallen ist.

FND - freies Nachdenken

Bis ich kurz vor Korneuburg bin, habe ich in Gedanken das Beschwerde-Schreiben an den zuständigen Medien-Offizier formuliert, „bezugnehmend auf den heutigen Vorfall, Uhrzeit, Ort… Dienstfahrzeug mit der Nummer BH-45…“. Plötzlich folge ich einem jähen Impuls, lösche den Sarkasmus-Text aus meinem Bewusstsein; ich lenke meine Aufmerksamkeit lieber auf mich im hier und jetzt, auf den Genuss, der in dieser Ausfahrt liegt. Ich spüre die bleichen Sonnenstrahlen, höre auf meinen Tret-Rhythmus, atme tief die feuchte Luft. Letztendlich ist mir einfach leid um die Zeit, schade um die Energie im außen…
Schwäne ziehen eine ruhige Bahn auf dem Wasser, im Laub verschwindet eilig eine Blindschleiche. Sie ist zwar mehr Eidechse als Schlange, aber weil ich generell grad so Vieles abstreife, übersetze ich diese Begegnung mit „Schlange“. Die steht ja in schamanischer Übersetzung für weibliche Urkraft, für lustvolles Frau-sein; Schlangen mag ich immer schon, nicht nur als Zeichen der Runderneuerung, des Neuanfangs, symbolisiert durch die Fähigkeit zur Häutung.
Später am Tag gönne ich mir ein abendliches Kaffeejauserl, setze mich gemütlich ins Eiles und schau auf trübe Menschen rund um mich. Ich lass meinen Blick zu jenem Straßenstück wandern, wo diese eigenartige Begegnung „aus Vulgarien“ heute vormittags stattfand… und mit einem Mal muss ich einfach nur lachen, laut und unvermittelt. Der Kellner eilt herbei und fragt, ob alles in Ordnung ist. Was er mich wohl fragt, wenn ich weinend am Tisch sitze?